Studienfahrt Lübeck und Bremen

Samstag, 10.09.2011 bis Sonntag 11.09.2011

Protokoll einer ungewöhnlichen Weinreise in den Norden der Republik

10. September 2011

8 Uhr, Abfahrt im Luxusliner mit Fahrer Günter. Es gibt erste Ausführungen zur Reise von Reiner
Stau 1 bei Cloppenburg, nichtssagender Anlass war eine Baustelleneinrichtung, Stau 2 bei „Ostetal“, Abfahrt in Sittensen mit „Tanke“ bei AdBlue und Günter umfährt den Stau durchs Havenser Moor. Wir passieren Tostedt mit den Hinweisen auf ein Stoppelfeldrennen mit Old- und Youngtimern, Dibbersen im Landkreis Harburg bietet viel Landschaft und rote Backsteinorte, dann geht es wieder auf die Autobahn.
Zur Ankunft im Hotel Kaiserhof in Lübeck lugt die Sonne hervor, bei 3/4 Stunde Verspätung heißt es: Einchecken – frisch machen – umziehen – alles in 5 Minuten, geht doch!
Die Stadtrundfahrt durch Lübeck ist gebucht bei dem unabhängigen Stadtführer Thomas Arndt, einem jungen Mann mit dem Herz am rechten Fleck und lockeren Sprüchen über das Gestern und Heute.
Das Kaffeetrinken bei Niederegger ist ein Muss, wir sind angemeldet zu Niedereggers Nusssahnetorte mit Marzipanhaube: Schmelz auf der Zunge! Und Zucken in der Börse beim Gang durch Niedereggers Verkaufsparadies.
So gestärkt brechen wir auf zur „etwas anderen Stadtführung““ — wer weiß schon um die Besonderheit der Lübecker „Gänge“. Eine Tour mit Faszination ob der heutigen Nutzung, aber das Grauen des Mittelalters in diesen Hinterhöfen lässt uns erschauern.
Mit Anekdoten zu Politik, Geschichte und Alltag in Lübeck einschließlich eines Treffens mit dem Teufel (ohne Bauchnabel!) bringt uns der Weg und unser Führer zum Ratskeller Lübeck zur „Kulinarischen Weinprobe“.
Manuel Mack, der Önologe des Weinhandelshauses „von Melle“ führt uns durch den Abend mit einem vorzüglichen 3-gängigen Abendessen und typischem Lübecker Rotspon.
Rotspon ist ein niederdeutsches Wort. Es bedeutet ursprünglich roter Span, also rotes Holz. Die Bezeichnung gilt für Rotweine französischen Ursprungs, die lose nach Lübeck gebracht und nach alter Tradition auf Flaschen gefüllt werden. Die Tradition Lübecks als Weinhandelsstadt geht bis ins 14. Jahrhundert zurück und das Weinhaus „von Melle“ begleitet die faszinierende Geschichte des Lübecker Rotspons seit mehr als 150 Jahren und ist die erste Adresse in der Hansestadt.
Satt und zufrieden treten wir den Heimweg in dieser lauen Sommernacht zu Fuß an. Nach einem Absacker im Biergarten ist bei den „Ausgelagerten‘“ im Gästehaus um 24 Uhr Schicht.

11.September 2011

Ein Gewitter zum Wecken, ein ausgiebiges Frühstück im Ambiente der Jahrhundertwende mit Stuckmalereien und goldverzierten Öfen, dann geht die Fahrt los um 9:35 Uhr mit der Sonne 170 km Richtung Bremen. Ohne Stau und Landpartie bleibt Zeit für eine Stunde Freizeit in der Bremer Altstadt. Um 12 Uhr begrüßt uns das Glockenspiel in der Böttcher-Straße.
Der Bremer Roland weist uns den Weg zum Rathaus. Weil Roland und Rathaus so schön und so alt sind, stehen sie seit 2004 auf der UNESCO Liste der Welterbe. Im Ratskeller finden sich um 13 Uhr alle ein zu einem typisch Bremer Mittagsschmaus mit vier Gängen. „Bremer Knipp“ beschreibt der eine oder andere wohl als ungewöhnlich – uns hat‘s geschmeckt. Mit Bier und Wasser stimmt sich so mancher ein auf den Höhepunkt des Tages.
Seit fast 600 Jahren wird im Stammhaus des Bremer Ratskellers deutsche Weinkultur gepflegt, die ihresgleichen sucht. Und wir, die Weinfreunde vom Hellweg, bekommen edle deutsche Winzertropfen aus dem UNESCO-Welterbe zu kosten, ausgeschenkt vom Ratskellermeister Karl-Josef Krötz höchstpersönlich. Dabei sitzen wir auf Fässern aus Rheinhessen und dem Weingut Leo Fuchs von der Mosel. Fasziniert lauschen wir den Einschätzungen und Hinweisen eines außergewöhnlichen Experten, der auch nach 22 Dienstjahren in Bremen mit Empathie die Gruppe für seine Weine zu begeistern weiß.
Auf der beständigen Suche nach einem besonderen und reinen Geschmackserlebnis verkostet Karl-Josef Krötz mit seinem Expertenteam jährlich etwa 3.000 deutsche Weine des neuen Jahrgangs. Ausgewählt werden jedoch nur rund 150 Tropfen, die das Prädikat „Bremer Weinkeller“ verdienen. Insbesondere der Handel und die Lagerung von 1.200 Weinen aus verschiedenen Jahrgängen haben den Bremer Ratskeller zu einer Institution für Weinliebhaber gemacht. Die Prominenz aus Politik, Kunst und Wirtschaft kauft hier ein.
Zum Abschluss begeben wir uns auf einen Rundgang, 2 Kilometer könnte man erwandern. Wir gelangen in die Schatzkammer, in der wohlbehütet die unermesslichen Raritäten lagern. Den letzten Wein unserer Verkostung bekommen wir kredenzt bei Kerzenlicht im Apostel- und Rosekeller, eine andächtige Stimmung ergreift uns. Hier lagern die ältesten Fassweine Deutschlands. Absolutes Glanzlicht unter den Raritäten ist ein Rüdesheimer aus dem Jahre 1653!
Das Abschiedsgeschenk des Herrn Krötz, die Weinkarte mit rund 650 verschiedenen Weinqualitäten, versehen mit einer persönlichen Widmung tritt mit uns die Heimreise an.

Fazit: Sage noch einer, Weinfreunde sind im Norden fehl am Platz — ganz im Gegenteil!

Herzlichen Dank an unseren Vorsitzenden für zwei besondere Tage.

Werner und Heike Kleineweischede

Trinkst Du vom Rebensaft ein Glas oder zwei,
ist’s keine Leidenschaft, sondern Arznei!