Württemberg 2005

Weinreise Württemberg vom 1. – 5. Mai 2005

Ein Bericht von Heinz-Dieter Dreier

Württemberg, das Land der Weine, das Land der schwäbischen Spezialitäten Trollinger, Lemberger, Schwarzriesling, Spätburgunder, Schillerwein.

Bei den hellen Gewächsen geben Riesling, Müller-Thurgau, Silvaner, Grauburgunder und Traminer den Ton an. Darüber hinaus behaupten sich originäre Züchtungen aus Württemberg wie Kerner und Dornfelder.

Da der Württemberger ein bekennender Weingenießer ist, wundert es nicht, dass ein großer Teil der Ernte vor Ort getrunken wird und kaum außer Landes kommt.

Diese Vorkenntnisse machten uns neugierig auf die „Wiege des Württemberger Weines“ und so fuhren 21 Mitglieder der Weinfreunde vom Hellweg e.V. nach Lauffen am Neckar in das „Württembergische Unterland“.

Im Gästehaus Kraft, unserem Quartier für die kommenden Tage, wurden wir freundlich empfangen. Das Hotel liegt oberhalb von Stadt und Neckartal in den Weinbergen.

Nachdem alle Reiseteilnehmer ihre Zimmer bezogen hatten, begrüßten uns der Vorsitzende der Weinfreunde und Organisator der Reise, Reiner Schäfer und seine Frau Heidi bei Kaffee und Kuchen und stellte das Programm für die folgenden Tage vor.

Begleitet von unserem Weinbruder Herrn Karl-Ernst Schmitt von der Weinbruderschaft Heilbronn, der uns während der gesamten Exkursion mit fachkundigem Rat behilflich war, fuhren wir noch am gleichen Nachmittag mit einem angemieteten Bus, der uns während der gesamten Exkursion zur Verfügung stand, zum „Brackenheimer Weinfrühling“ der Weingärtner Brackenheim eG., einer Vereinigung der Weingärtner (die schwäbische Bezeichnung für Winzer) aus Brackenheim, Neipperg, Haberschlacht, Meinsheim und Botenheim.  Der Kellermeister, Herr Friedrich Hammel, führte uns durch den ebenerdigen modernen Betrieb von beeindruckender Größe (rd. 8,5 Mio. l Wein vorwiegend in Edelstahl-Gebinden). Interessant  war für uns, dass der größte Teil der Flaschen mit einem Drehverschluß ausgestattet war. Nach dem Rundgang genossen wir in der festlich geschmückten Betriebshalle die hervorragenden Weine und das Essen der WG Brackenheim. Großer Sohn der Stadt ist Theodor Heuss, der am 31. Januar 1884 in Brackenheim geboren wurde. Nach 1945 war er einer der Gründer der FDP und ihr erster Bundesvorsitzender. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung des Grundgesetzes der BRD beteiligt.  1949 wurde er zum  ersten Bundespräsidenten gewählt und blieb bis 1959 im Amt. Er blieb zeitlebens seiner Gemeinde treu und es wird berichtet, dass er seine bedeutenden Reden bei einem Viertele (oder auch mehreren) Lemberger schrieb.

Am nächsten Morgen, Montag den 2. Mai, stand um 9.00 Uhr der Bus bereit zur Fahrt nach Weinsberg zum Staatsweingut. Bei einem Sektempfang (Muskateller Sekt „M Secco“)

stellte Herr Dr. Blankenhorn die Aufgaben der Staatlichen Fachschule für Wein- und Obstbau Weinsberg vor. Hier werden qualifizierte Fachkräfte in den Bereichen Rebenzucht, Pflanzenschutz, Brennerei, Marketing und Betriebswirtschaft ausgebildet.

Nach einer 2-jährigen Ausbildungsdauer (Abschluß Fachhochschulreife und Ausbildereignung) können die Absolventen leitende Aufgaben sowohl im eigenen Betrieb als auch Führungspositionen in den Bereichen Weinbau, Kellerwirtschaft und auch im Weinfachhandel übernehmen.

Beim Rundgang durch den Betrieb und anschließender Verkostung konnten wir uns ein Bild machen über die moderne Ausrichtung von Forschung und Leistungsstand der Fachschule.

Anschließend hielt Herr Dr. Hill einen Vortrag über die Züchtung neuer Weinsorten. Wir erfuhren, dass die erfolgreichen Sorten Kerner und Dornfelder aus diesem Zuchtbetrieb stammen.

Herr Dr. Hill (Referat Rebenzüchtung und –veredlung) erläuterte die

Methoden der Rebenzüchtung:

Auslese, Selektion (Erhaltungs- /Klonenzüchtung)

Suche nach natürlichen kleinen Erbgutveränderungen (Mutationen)

Neukombinationen (Kreuzungszüchtung)

Gezielte Erzeugung von neuer Erbgutzusammensetzung

Mutationen durch Erbgutmanipulation

Physikalisch (Bestrahlung; Wärme), chemisch (Beeinflussung der Zellteilung)

Biotechnologie

Effizienzsteigerung durch spezielle Kultivierungsbedingungen

Gentechnologie

Gen- bzw. Genmanipulation; Gentransfer; Freisetzung transgener Reben

Aus der Kreuzungszüchtung entstanden die neuen Sorten

  • Acolon (Abstammung Bl. Limberger x Dornfelder)
  • Cabernet Dorsa (Abstammung Dornfelder x Cabernet-Sauvignon)
  • Cabernet Dorio (Abstammung Dornfelder x Cabernet-Sauvignon)
  • Cabernet Cubin (Abstammung Bl. Limberger x Cabernet-Sauvignon)
  • Palas (Abstammung Bl. Trollinger x Rubintraube)
  • Cabernet Mitos (Abstammung Bl. Limberger x Cabernet-Sauvignon)

Während des für jeden Weinliebhaber außerordentlich interessanten Vortrages haben wir die neuen Sorten sowohl als Züchtungswein als auch Verkaufswein verkostet.

Dann ging es mit dem Bus weiter nach Heilbronn. Wir waren zum Mittagessen mit Weinprobe in der „Wein-Villa“ angemeldet. Es handelt sich um eine Villa aus dem Jahre 1873, die nach unterschiedlichen Nutzungen im Jahre 1960 durch die Stuttgarter Neckar AG erworben wurde und im Jahre 1995 von der Stadtsiedlung Heilbronn für ca. 3 Mio DM restauriert wurde. Seitdem wird sie als Repräsentationsgebäude der Weinwirtschaft genutzt.

Die Weinprobe wurde gekonnt und humorvoll von Herrn Haag präsentiert.

Gesättigt und in guter Stimmung wurden wir bereits von einer Stadtführerin erwartet, die in den Farben der Stadt Heilbronn gekleidet war. Wir schlenderten durch die Stadt, hörten viel über die Stadtgeschichte. Die Stadt Heilbronn wurde in den letzten Kriegstagen fast total zerstört, der Wiederaufbau erfolgte nach den Erfordernissen der Nachkriegszeit.  Am Schluss der Führung besuchten wir die Kilianskirche. Danach entspannten wir uns bei einer Tasse Kaffee auf dem Platz des „Käthchen von Heilbronn“.

Das Abendessen nahmen wir in dem Panorama-Hotel auf dem Wartberg in Heilbronn ein.

Am Dienstag, den 3.5.2005, wartete der Bus bereits um 9.00 Uhr zur Fahrt nach Beilstein zum Weingut Amalienhof. Bei leider regnerischem Wetter erfuhren wir von Herrn Groß bei der Weinbergswanderung von der Entstehung und Philosophie der Besitzer, der Familie Gerhard Strecker. Als Ausbilder an der Weinbauschule Weinsberg wollte er damals die Theorie in die Praxis umsetzen und beschloss, zunächst nebenberuflich, sein eigenes Weingut zu gründen. Nachdem er bereits verschiedene Weinberge bearbeitet hatte, kaufte er Anfang der 70-er Jahre den Beilsteiner Steinberg, das historische Rittergut derer von Helfenberg. Ab dem Jahre 1972 wurde der Amalienhof , eine ca. 30 ha große Einzellage, auf eine, für die damalige Zeit revolutionäre Art und Weise neu angelegt. Danach begann Herr Strecker mit seinen Züchtungsmethoden. Er säte nach der Ernte Tausende von Traubenkernen, um eine verbesserte Rebsorte zu erhalten. Die meisten der dadurch entstandenen Sämlinge wurden verworfen, und nur solche stehen gelassen, die sich nach seinen Vorstellungen entwickelten. Nach diesem Ausleseprozess verblieben weniger als 1 % der jungen Reben, welche dann anschließend durch Aufpfropfen auf amerikanische Unterlagsreben veredelt wurden. Somit ist es gelungen, aus diesen natürlich vermehrten Pflanzen widerstandsfähige Reben zu selektieren, deren Weine höhere Extrakte als vergleichbare Elternteile aufweisen. Sichtbares Zeichen dieses Zuchterfolges sind die von uns verkosteten Sorten Bariton und Wildmuskat, letzterer erhielt  im September 2003 vom Bundessortenamt den Sortenschutz.

Herr Groß präsentierte nach dem Rundgang in den Räumen des Gutes eine Weinprobe mit einer weiteren Auswahl der Weine des Gutes. Zum Mittagessen gab es schwäbische Maultaschen in mehreren Variationen.

Anschließend erwartete uns eine besondere Überraschung. Auf Empfehlung von Herrn Schmitt erlebten wir eine hervorragende Weinprobe im Weingut Kistenmacher & Hengerer. Seit über 500 Jahren betreiben die Familien Hengerer u. Kistenmacher Weinbau in Heilbronn. Das Weingut in seiner jetzigen Form besteht seit 1958. Im Jahre 1994 übernahm Sohn Hans den Betrieb von seinen Eltern. Bei der Pflege der ca. 8 ha großen Rebfläche betreibt er einen großen Aufwand; einer intensiven Laubarbeit folgt die Ernte von Hand. Die Reben haben ein Durchschnittsalter von 22 Jahren, was zwar einen geringen Ertrag, dafür jedoch qualitativ hochwertiges Lesegut bedeutet.

Herr Hans Hengerer gehört zur Gruppe der „Junge Schwaben“, fünf junge Winzer, die es sich zum Ziel gesetzt haben, unverwechselbare, ursprüngliche und ungeschminkte Weine auf hohem Niveau zu machen. Die Gruppe tauscht Erfahrungen aus, diskutiert, um noch besser zu werden und erweitert auf Weinreisen den eigenen Horizont.

Nach  den Anstrengungen dieses Tages fuhren wir zurück nach Lauffen. Eine Erholungspause war dringend geboten, denn der Abend erwartete uns mit einer Weinprobe und einem vorzüglichem Buffet in der Lauffener Weingärtnergenossenschaft eG. Der Probenleiter, Herr Ulrich Maile, Weinbaumeister und Vorstandsvorsitzender, erläuterte bei einem Sektempfang die Daten seines Betriebes. Die Weingärtnergenossenschaft wurde 1935 gegründet. Sie gehört 630 Mitgliedern, die zusammen eine Rebfläche von ca. 560 ha, davon 50 ha terrassierte Steillagen, bewirtschaften. Es werden 92 % Rotweinsorten und 8 % Weißwein angebaut. (Zum Vergleich: in der BRD werden etwa      60-70 % Weißwein angebaut). Die Erntemenge beträgt im mehrjährigen Durchschnitt 7 – 8 Mio kg Trauben, aus denen 6 Mio Liter Wein mit einem Umsatz von 21 Mio EURO verkauft werden. Die Genossenschaft bestimmt den Lesezeitpunkt, weiterhin ist jeder Winzer dem Vorstand der Genossenschaft gegenüber weisungsgebunden. Nur so werden die hervorragenden Weine produziert, die als Katzenbeißer bekannt sind. Die Genossenschaft hat ebenfalls die Serie „Schwäbische Poeten – jede Flasche ein Gedicht “ kreiert. Unter diesem Motto wurden Wilhelm Hauff, Friedrich Hölderlin, Eduard Mörike und Ludwig Uhland zu Paten dieser trockenen Prädikatsweine.

Zum unbedingten „Muss“ einer Weinreise nach Württemberg gehört der Besuch des Weingutes des Grafen Adelmann. Also fuhren wir am folgenden Morgen, Mittwoch 4. Mai 2005, nach Klein-Bottwar zu dem VDP Prädikatsweingut auf Burg Schaubeck. Das Weingut liegt idyllisch in einem weitläufigen Park, bestanden mit uralten Baumriesen. In 3. Generation führt Michael Graf Adelmann seit 1978 das traditionsreiche Weingut (ca. 20 ha). Seine Leidenschaft gilt den Rotweinen, die einen Anteil von   ca. 62 % haben.    Schon seit 1981 baut er seine besten Lemberger, Spätburgunder, Clevner und Samtrotweine im kleinen neuen Eichenfass aus. Bei einer von Herrn Gert Hiller kommentierten Weinprobe verkosteten wir die unter dem Markennamen „Brüssele`r Spitze“ (bester Wein des Jahrgangs), „der Löwe von Schaubeck“, „Herbst im Park“ und  dem roten Spitzenprodukt  „Cuvée Vignette“ bekannten Rotweine sowie drei hervorragende  Rieslingweine.

Mittags führte uns die Fahrt weiter nach Vaihingen/Enz. Wir wurden dort im christlichen Jugenddorf auf Schloss Kaltenstein zum Mittagessen erwartet.  Bei einem anschließenden Rundgang erläuterte uns Herr Berenz die Aufgaben der Einrichtung.

Dem Leitgedanken verpflichtet: „Keiner darf verloren gehen!“ wurde das CJD Jugenddorf 1949 als Einrichtung des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschlands e.V. gegründet. Zunächst erhielten hier in der Nachkriegszeit heimatlose Jugendliche eine Berufsausbildung und Hilfen zur Selbständigkeit. Später leistete das Jugenddorf schulische und berufliche sowie gesellschaftliche Integrationsarbeit für Spätaussiedler und Flüchtlinge aus politischen Brennpunkten der Welt. Heute werden ca.  300 lernbehinderte und sozial benachteiligte  Jugendliche beherbergt, die hier eine Berufsausbildung in den eigenen Werkstätten bzw. in der Hauswirtschaft erfahren oder eine Berufsfindung im Förderlehrgang absolvieren.

An der Südseite des Schlosses Kaltenstein wächst an terrassiertem Steilhang direkt über dem Wasser der Enz ein vorzüglicher Wein. Die Bearbeitung erfolgt unter Einbeziehung der Jugendlichen ausschließlich von Hand. In trockenen Jahren ermöglicht eine selbstgebaute Tröpfchenbewässerungsanlage die Zuführung von Wasser. Die ausschließlich trocken ausgebauten Weine wurden von uns im Festsaal des Schlosses verkostet. Es waren herrliche Trollinger u. Lemberger sowie vorzügliche Rieslingweine. Als besondere Spezialität wurde uns der Schillerwein vorgestellt. Um die Arbeit des CJD zu unterstützen, besteht die Möglichkeit der Mitgliedschaft im Kreis der „Kaltensteiner Weinfreunde“ (Abnahme 12 Flaschen/Jahr).

Der letzte Abend unserer Weinreise 2005 stand traditionell im Zeichen einer Weingala. Im Festsaal des Hotel Adler in Botenheim genossen wir ein vorzügliches 5-Gänge-Menü mit ausgesuchten Weinen, die kurzweilig von Herrn Hammel von der WG Brackenheim kommentiert wurden. Anwesend waren auch Herr Schmitt mit Gattin, dem unserer besonderer Dank für die gute Betreuung galt.

Nach dem Frühstück am Donnerstag , dem 5. Mai , waren sich alle Teilnehmer darüber einig , dass wir wieder einmal eine gelungene und interessante Exkursion erlebt haben. Unser Dank gilt Heidi und Reiner Schäfer für die sorgfältige Vorbereitung der Reise und die umsichtige Reiseleitung.